Kartoffel
- Regional: Ja
- Saison in der Schweiz: Mitte Mai bis September (sonst Lagerware)
- (Quelle: Bio Suisse Saisonkalender)
Unsereiner betrachtet Kartoffeln („Herdöpfel“, Erdäpfel, in Österreich Erdbirne) gemeinhin als Gemüse, doch für dieses Wort gelten verschiedene Definitionen. Laut „Verordnung des EDI über Obst, Gemüse, Konfitüre und konfitüreähnliche Produkte“ (817.022.107) gehören sie zum „Knollen- und Wurzelgemüse“, wie Karotten oder Knollensellerie. In einer Erklärung der gesunden Ernährung (Fact sheet N°394) der Weltgesundheitsorganisation, aktualisiert im September 2015, wird die bekannte Empfehlung ausgesprochen, dass man täglich 400 g Früchte und Gemüse essen soll (fünf Portionen). Darunter steht ausdrücklich: „Kartoffeln, Süsskartoffeln, Maniok und andere stärkehaltigen Wurzeln sind nicht als Früchte oder Gemüse klassifiziert“. Auch sonst werden sie ausgeklammert, beispielsweise von der SGE (deren Gemüseportionen jedoch 120 g gross sind, was dann 600 g am Tag ergibt) und den weiteren Ernährungsgesellschaften. Um die Verwirrung zu erhöhen, hat der deutsche „Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt“ 2003 die Kartoffel zum Gemüse des Jahres gekürt. Aber halten wir nochmals fest: Bei „5 am Tag“ ist sie ausgenommen.
Gemüse oder nicht, sie gehört zu den weltweit wichtigsten Nutzpflanzen. Wir Schweizer verzehren davon jährlich 45 kg pro Kopf. Der globale Anbau geschieht auf über 20 Millionen Hektaren Ackerfläche. Die Vereinigung Schweizerischer Kartoffelproduzenten schätzt 2015 auf rund 11’000 Hektaren den Ertrag auf 365’000 Tonnen (2014: fast 504’000 t). Der 2015 vergleichsweise niedrige Ertrag liegt am Wetter (erst mit sintflutartigen Niederschlägen und dann mit einer extremen Hitzeperiode). Ein grosser Teil der Ernte wird als Futtermittel verwendet (2014 rund 144’000 t). Übrigens, auch hier zeigt sich dieselbe Entwicklung wie nahezu überall in der Landwirtschaft: Waren es 1999 13’326 Betriebe, die auf 13’708 Hektaren 484’000 Tonnen produzierten, sind es heute nur 4700 (2014 4969).
Kartoffeln sättigen gut wegen der Kohlenhydrate (die Stärke). Sie enthalten ausserdem mit 2 g pro 100 g wenig, jedoch gut verwertbares Protein (noch besser in Kombination mit Hülsenfrüchten oder Eiern), wenig Vitamine, aber unter anderem viel Kalium und etwas Phosphor sowie Ballaststoffe.
Sie weisen wie alle Nachtschattengewächse den giftigen Bitterstoff Solanin auf, der den Pflanzen zur Abwehr von Frassfeinden dient. Es findet sich hauptsächlich in der Schale, den Augen und durch Licht grün gewordenen Kartoffeln. Unterschiede gibt es je nach Sorte, besonders der Lagerung (Hitze oder unter 10°) und den Anbaubedingungen. Auch Schädlingsbefall oder mechanische Beschädigungen haben eine Auswirkung auf die Menge des in der Knolle produzierten Solanins. Im „Fleisch“ der Kartoffel ist jedoch der Anteil äusserst gering.
Solanin gilt als eher mildes Gift, das die Schleimhaut im Magen-Darm-Trakt angreifen und so für Durchfall und Erbrechen sorgen kann. Weitere typische Symptome einer leichten Vergiftung sind Kopfschmerzen und ein Kratzen im Hals. Bei grösseren Aufnahmemengen, wie sie beispielsweise durch Verzehr von Kartoffelbeeren oder hohen Mengen grüner Kartoffeln auftreten, sind Angstzustände, Krämpfe und Sehstörungen möglich. In sehr starker Dosis kann Solanin zum Tod führen, was allerdings bei üblichen Portionen von normal zubereiteten Kartoffeln fast unmöglich ist. Zu einem grossen Teil liegt das daran, dass der Solanin-Gehalt in den letzten Jahrzehnten durch Züchtung deutlich verringert werden konnte. Darum können Sie heutzutage die geschälte Knolle auch roh essen (nur aus kulinarischer Sicht rate ich davon ab).
Anders als der Volksglaube meint, ist Solanin übrigens hitzebeständig und könnte erst durch Temperaturen ab 240 Grad zerstört werden (dadurch entstehen jedoch neue Probleme).
Deshalb sollten Sie grüne Stellen und keimende Triebe (die „Augen“) grosszügig wegschneiden und die Kartoffeln kühl und vor Licht geschützt lagern. Im Kühlschrank werden sie nicht nur eher faulig, sondern bilden auch noch Zucker, der sich bei der späteren Zubereitung in das krebserregende Acrylamid umwandeln kann. In luftdichten Behältern oder Plastikbeuteln dürfen Sie die Knollen ebenfalls nicht aufbewahren, weil sie dann schnell verfaulen und oft Schimmelpilze bilden.
Die beste und gesündeste Zubereitungsart ist es, die Kartoffeln erst nach dem Kochen zu schälen, da so die Mineralstoffe und Vitamine nicht ausgeschwemmt werden. Das Kochwasser enthält so aber Solanin und sollte nicht weiterverwendet werden.
Wie bereits erwähnt, ist roher Verzehr von Kartoffeln durchaus möglich. Sie können auch Kartoffelsaft ohne gesundheitliche Bedenken trinken. Meiner persönlichen Erfahrung nach war so ein Saft jedoch mit Abstand das am scheusslichsten schmeckende pflanzliche Nahrungsmittel, das ich je probiert habe. Der Nachgeschmack liess sich für Stunden durch nichts überdecken. Seien Sie also gewarnt, ehe Sie davon kosten. Helfen soll der Saft gegen Sodbrennen; wer ihn deshalb konsumiert, obwohl er ihn nicht mag, kann es stattdessen versuchsweise mit einem Radieschen oder zwei versuchen).
Grundsätzlich werden Kartoffeln eingeteilt in festkochende (grün und braun gekennzeichnet), vorwiegend festkochende (rot) und mehlige Sorten (blau). Die festkochenden sind beispielsweise ideal für „Gschwellti“ (Pellkartoffeln), Rösti, Bratkartoffeln, Pommes frites, Kartoffelsalat usw. Die vorwiegend festkochenden Sorten sind ebenfalls für „Geschwellti“ oder Salzkartoffeln geeignet, die mehligen für Suppen oder Kartoffelstock (Kartoffelbrei). Viele verwenden aber für alle Gerichte festkochende Sorten. Die sogenannten „Raclette“-Kartoffeln mit der braunen Kennzeichnung sind einfach die gleichen festkochenden Sorten – allerdings werden dafür eher kleinere Knollen ausgewählt (falls Ihnen also einmal die festkochenden im Angebot Ihres Supermarktes nicht zusagen sollten, können Sie problemlos auf die Raclette-Kartoffeln ausweichen).
Welche Bedeutung „Rösti“ in der Schweiz noch immer hat, sieht man daran, dass es spezielle Pfannen gibt, die das Wenden erleichtern (ich vermute, dass dieselben Produkte in anderen Ländern als Omelettenpfannen verkauft werden). Der häufig empfohlene Trick mit dem Deckel ist übrigens nicht ganz ungefährlich, weil überschüssiges heisses Öl über die Hände laufen kann.
In der Schweiz selten, dennoch sehr schmackhaft, ist die sogenannte rohe Rösti (auch als polnische Rösti bezeichnet), die aus rohen in Scheiben geschnittenen oder wie üblich mit der Röstiraffel gerieben Kartoffeln zubereitet wird. Viele der traditionellen Kartoffel-Gerichte sind zwar mässig gesund, aber dieses Gemüse-Nichtgemüse hat einiges zu bieten und ist vielseitig verwendbar. Selbst hier gibt es immer wieder Neues zu entdecken.